Schon länger war es eine zwiespältige Beziehung zwischen Instagram und mir. Kurzum: Ich fühle mich wie im Instagram Hamsterrad.

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Bevor ich auf mein Verhältnis zu Instagram eingehe, muss ich eins vorwegschicken. Dieser Beitrag spiegelt meine persönliche Erfahrung wider. Andere Fotografen mögen den Dreh mit Instagram raus haben und erfolgreich auf diese Plattform setzen. Ich habe das nicht geschafft.

Schon länger war es eine zwiespältige Beziehung zwischen Instagram und mir. So hatte ich mich schon seit Langem damit abgefunden, dass mein Wirkungsgrad auf Instagram sehr beschränkt ist und vermutlich auch so bleiben wird.

Denn auf der einen Seite sind da meine drei Instagram Accounts, welche ich beinahe täglich mit einem Bild füttere. Schliesslich heisst ja „to feed“ zu Deutsch füttern. Und auf der anderen Seite ist da die konstant bescheidene Anzahl Follower. Und auf der anderen Seite ist da die konstant bescheidene Anzahl Follower. Eher selten verirrt sich da auch mal ein Kommentar. Schlechte und unattraktive Fotos meinerseits könnten der Grund für diesen Zu- und Stillstand sein. Aber dies als alleinigen Grund zu sehen, greift zu kurz und würde von der eigentlichen Problematik ablenken.

Die Follower

Kommen wir zurück zu den Followern. Bei meinen Followern glaube ich, drei verschiedene Gruppen ausgemacht zu haben:

  • Die mit Abstand grösste Gruppe besteht aus Leuten mit der Einstellung „Likst du mich, so like ich dich.“ Dieser Anteil ist vor etwas mehr als einem Jahr stark geschrumpft, als ich angefangen hatte, in grossem Umfang Accounts mit banalen Fotos zu entfolgen, um in meinem Feed wirklich nur noch die Fotografen zu sehen, die mich inspirieren und deren Arbeit ich höchsten Respekt zolle. Die Reaktion folgte unmittelbar: „Entfolgst du mir, so entfolge ich dir.“.
  • Die zweite Gruppe sind Follower, die dann nicht mit Kommentaren geizen, wenn ihnen ein Foto wirklich gefällt. Ich bin weit davon entfernt, ständig ausserordentliche Fotos zu posten. Aber hie und da gelingt mir ein Foto mit einem gewissen etwas, das auch diesen Followern sofort auffällt. Das gibt mir das Gefühl, auf der gleichen Wellenlänge zu sein.
  • Und mit Abstand die kleinste Gruppe sind die Follower, die ich Dank Instagram auch in der realen Welt persönlich kennenlernen durfte. Mit ihnen ist es eine Freude, sich auch zwischendurch in echt zu treffen und über Fotos und die Welt zu sprechen.

Instagram hat mir also geholfen, Inspirationen für meine Fotografie zu finden und, was noch wichtiger ist, neue Bekanntschaften mit äusserst interessanten Menschen zu machen.

Das Hamsterrad

Trotzdem wuchs mein Unbehagen weiter bis zu dem Punkt, wo ich mich wie in einem Hamsterrad fühlte, den schon viele vor mir sehr treffend und ausführlich beschrieben haben. Viele Influencer und Ratgeber äussern das Credo: „Wenn du regelmässig und hinsichtlich Thema und Stil konsistent postest, mit Likes und Kommentaren täglich am Geschehen teilnimmst, dann ist dein Erfolg (viele Follower, Anfragen für Aufträge) nicht weit.“ Diese Formel schien mir je länger je mehr zu simpel und zudem berücksichtigte sie weder Strategie noch Unternehmensmodell von Instagram. Eric Kim ist nun alles andere als mein Vorbild, aber man muss ihm bescheinigen, dass er Trends erstaunlich früh erkennt oder zumindest gut aus anderen Quellen wiedergeben kann. So sagte er bereits vor drei Jahren, dass er aufhört, Fotos auf Instagram zu posten, wobei ich nun nicht geprüft habe, ober dies tatsächlich stimmt. Seine wichtigsten Aussagen damals:

Am Ende machst du Fotos, um deine Likes und Follower zu „optimieren“, anstatt deine Fotokunst innovativ zu gestalten.

Nehmen wir an, du hast ein bestimmtes Foto, das du wirklich magst, das aber „seltsam“ und ungewöhnlich ist. Du wirst vermutlich das Foto nicht teilen, weil du befürchtest, dass es nicht viele Likes bekommen würde.

Du wirst zum Gefangenen deines eigenen Erfolgs: Beispielsweise experimentierst du nicht mit Farbfotografie, weil du weisst, dass deine Follower bereits deine Schwarzweissbilder lieben, und du hast Angst davor, mit etwas Neuem Follower zu verlieren oder zu verärgern.

Benutzererfahrung aka auf Neudeutsch User Experience

Als Informatiker und UI Designer wurde mir eingetrichtert, dass Unternehmen nur Erfolg haben können, wenn sie ihre Produkte und Dienstleistungen ganz auf ihre Kunden ausrichten. Bezogen auf Instagram würde dies eigentlich heissen, dass Instagram alles unternimmt, um mich wie einen Kunden zu behandeln, sowohl in der Rolle als „Produzent“ (Fotograf) als auch in der Rolle als Konsument (Betrachter von Fotos). Schliesslich zahle ich ja mit meinen Bildern, meinen Daten und meiner Zeit.

Nur ist diese Einstellung bei Instagram und anderen Social Media Plattformen schon lange nicht mehr vorhanden oder hat vermutlich gar nie existiert. Denn der Kunde sind nicht wir. Die Kunden sind die, welche für Werbung bezahlen. Und die Kasse klingelt vor allem dann, wenn diese Social Media Riesen uns Normalsterbliche so lange wie möglich auf ihren Plattformen halten, um möglichst viel Werbung zu verkaufen. Wir sind also eigentlich nur notwendige Betriebsmittel, um ihr Geschäft betreiben zu können.

So erstaunt es nicht, dass aus Sicht von Instagram ein guter Konsument nur ein passiv verzehrender Nutzer ist, der möglichst lange durch Feed und Vorschläge blättert. Eigentlich behandelt Instagram uns wie ein Kleinkind, das gefüttert werden muss: „Schau, was ich heute für dich habe! Du musst nur die App öffnen und dann nichts weiter tun, als den Feed runterzuscrollen und die Häppchen, die ich dir vor den Mund halte, runterzuschlucken.“

User Experience der Produzenten

Aufgrund der Marktmacht muss sich Instagram nicht um diejenigen kümmern, die tagtäglich Inhalt liefern, der dann zwischen der Werbung platziert wird. Denn, will man in dieser Flut gesehen werden, muss man permanent Instagram-kompatible Fotos posten, also solche welche auf kleinem Bildschirm gut aussehen und welche von den Followern erwartet werden. Die Funtionalität, um Bilder auf Instagram zu posten mutet sich gelinde gesagt archaisch an.

User Experience allgemein

Die Benutzeroberfläche sieht für mich wie eine Baumusterzentrale aus. Da wird von anderen Plattformen, wie Snapchat und TikTok abgekupfert und Neues scheinbar völlig zusammenhanglos zusammengeschustert. Eigentlich ist die Instagram App ein Musterbeispiel, wie ein User Interface und eine User Experience nicht sein sollte. Aber ein möglichst reibungsloses, zielgerichtetes und effizientes Erlebnis stünde ja im Widerspruch zur Absicht, uns möglichst lange auf der Plattform zu halten.

Möchte ich beispielsweise sehen, was die Leute, denen ich folge, Neues gepostet haben, muss ich mich durch Empfehlungen und bezahlten Einträgen wühlen. Manchmal vergehen Tage und Wochen, bis ich die neuesten Fotos meiner Kollegen sehe.

Auch eine gezielte Suche nach für mich interessanten und inspirierenden Fotos – in meinem Fall Street Photography – ist denkbar schwierig bis unmöglich. Ich finde meistens zu neuen beachtenswerten Fotografen nur deshalb, weil ich sehe, was meine Kollegen so liken und kommentieren.

Der Anlass, der mich zum handeln bewog

Vor ein paar Tagen bin ich zufällig auf einen Beitrag von Lighttraveler gestossen, der mich nachdenklich gestimmt hat. Er löscht von einem Tag auf den anderen seine beiden Instagram Accounts (mit wesentlich mehr Followern als ich) und ist glücklich und erleichtert dabei.

Was ist, wenn ich dies auch mache? Soweit zu gehen, fehlte mir der Mut.

Trotzdem habe ich aus einem Impuls heraus sämtliche Fotos meiner drei Instagram Accounts @ivan.rigamonti, @ivan.rigamonti.bw und @italian.dressing gelöscht, wodurch nun meine drei Feeds ziemlich nackt dastehen.

Warum habe ich überhaupt drei Konti mögen sich viele fragen. Genügt nicht ein einziges Konto? Na ja, es hiess ja, man solle konsistent sein, was Inhalt und Stil anbelangt. Also brauchte ich ein Konto für Street Photography in Schwarzweiss, eines für Street Photography in Farbe eines für alles, was nicht in die ersten beiden passt.

Diese spontane Aktion half mir zudem meine These zu beweisen, dass Instagram Benutzer gezielt zu passiven und bevormundeten Konsumenten erzieht. Wenn meine These stimmte, dann würden die meisten Follower gar nicht bemerken, dass ich da keine Fotos mehr habe. Denn die passiven Konsumenten gehen einfach in ihren Feed und verzehren, was ihnen vorgesetzt wird. Und dass da keine Fotos mehr von mir drin sind, merken sie nicht.

Ein Follower würde meine nackten Konti erst dann merken, wenn er aktiv wird und gezielt mein Profil aufsucht. Meine Frau war die erste, die nach zwei Tagen gemerkt hat, dass ich keine Fotos mehr drauf habe. Sie ist aber keine typische Instagram Nutzerin. Sie folgt ausser dem engsten Familienkreis niemanden und sie geht regelmässig aktiv schauen, was so die Liebsten gepostet haben. Es dauerte weitere vier Tage, bis eine Kollegin, die den gleichen Fotokurs (in der realen und nicht virtuellen Welt) wie ich besuche, mich darauf angesprochen hat. Auch sie ist eigentlich nicht repräsentativ, da wir aktiv auch im Fotokurs gegenseitig unsere Fotos zeigen und kommentieren. Acht Tage nach dem Löschen hat es ein dritter Follower gemerkt. Ein Fotograf, den ich hie und da persönlich treffe. Alle anderen haben es bis heute, zwei Wochen danach, nicht bemerkt, oder es für nicht wichtig befunden, mich darauf anzusprechen.

Weitere Bad News

So kann ich eigentlich nur den Schluss ziehen, dass Instagram alles andere als für Fotografen geeignet ist. Aber so einfach mache ich es mir nicht. Um ganz sicher zu sein, habe ich noch ein paar weitere Suchen im Internet durchgeführt. Diese haben meine These nicht nur bestätigt, sondern noch weitere Bad News für Fotografen ans Licht gebracht. So hat Adam Mosseri, Chef bei Instagram folgende Aussagen in einem Twitter-Video gemacht:

  • Instagram wird sich auf die folgenden vier „Key Areas“ Creators, Video, Shopping und Messaging fokussieren.
  • Mit Creators sind Leute gemeint, die vornehmlich Videos erstellen und veröffentlichen.
  • Beim Thema „Video“ hat er wörtlich gesagt, dass Instagram keine „Photo-sharing App“ mehr ist.
  • Shopping auf Instagram soll zum neuen Erlebnis werden.
  • Und die Instagram User sollen vermehrt chatten können (und somit noch länger auf der Plattform bleiben).

Diese neue Ausrichtung sei die Antwort auf die Frage, was Instagram User wirklich wollen. Und diese Antwort haben sie mit einer systematischen und umfangreichen Untersuchung gefunden. Und wir wissen ja mittlerweile, dass Instagram wirklich alles unternimmt, um ihre User als König zu behandeln…

Für Fotografen heisst dies, entweder über kurz oder lang zum Video Producer zu werden oder nur noch als eine vernachlässigbare Randerscheinung auf der Plattform zu existieren.

Was sind die Alternativen?

Gibt es überhaupt Alternativen? Und kann ein Fotograf überhaupt auf Instagram verzichten?

Diese Fragen werden seit Jahren gestellt und führten bisher immer zu den gleichen ernüchternden Antworten, weshalb ich dem Leser die wiederkehrende Leier erspare und kurz und knapp antworte.

Es gibt keine valable Alternative zu Instagram, so zumindest die Aussage von selbsternannten Kennern der Materie. Aber Selbstversuche mit Flickr und Twitter können nicht schaden.

Was heisst dies nun für mich?

Ich werde weiterhin Instagram nutzen und einsetzen, habe ich doch viele interessante Leute kennen und schätzen gelernt, einige davon sogar im echten Leben.

Aber ich werde Instagram so einsetzen, wie ich es für richtig halte, was zwangsläufig dazu führen wird, dass meine Reichweite und die Zahl meiner Follower weiter schrumpfen wird. Als erstes werde ich versuchsweise nur noch „Sixpacks“ posten, was ja auch nicht wirklich etwas Innovatives ist. Aber damit schauen zumindest meine Profilseiten einigermassen akzeptabel aus und kommen einer Portfolio-Seite noch am nächsten.

Zudem werde ich verstärkt auf meine Portfolio-Seite und auf meinen Blog setzen sowie das gute alte Flickr wieder vermehrt nutzen. Flickr käme meinen Vorstellungen als Fotograf am nächsten, gäbe es nur mehr aktive User und käme Flickr aus dem Retro-Look und nicht mehr zeitgemässer Benutzeroberfläche und -bedienung heraus. Ob ich Twitter verstärkt einsetzen werde, weiss ich noch nicht. Aber ein Versuch wäre es wert.

Und die Zukunft?

Ob sich meine Verhaltensänderung auszahlen wird, muss sich noch zeigen. Sicherlich werde ich ausserhalb des Hamsterrads wieder vermehrt Neues in der Fotografie ausprobieren. Auch kommt spannende und herausfordernde Arbeit beim Blog und bei der Portfolio-Seite dazu, da meine Sichtbarkeit auf Instagram gegen Null gehen wird.

Der Aufbruch ins Ungewisse hat mir zumindest schon mal eine neue Perspektive, zusätzliche Motivation und frische Energie gegeben.